Vom Sitzen kann ich ein Lied singen. Früher saß ich neben meinem Vollzeitjob im Büro jeden Abend bis spät in der Uni oder am Schreibtisch und paukte für Klausuren. Dass das alles andere als gesund ist, habe ich mit voller Wucht zu spüren bekommen. Ich fühlte mich unbeweglich, gestresst, ausgelaugt und hatte jeden Tag Rückenschmerzen.
Warum bekommen wir vom vielen Sitzen so oft Rückenschmerzen? Was passiert mit unserem Körper, dass gerade Büromenschen so anfällig für Rückenschmerzen und Bandscheibenprobleme sind? In den folgenden Übungen packen wir eine der größten Ursachen für Rückenschmerzen und Bandscheibenprobleme direkt an der Wurzel.
Wie sich Sitzen auf unseren Körper ausübt
Typischerweise sitzen wir im Büro oder zu Hause so, dass bestimmte Bereiche unseres Körpers mehr beansprucht werden und manche weniger. Strukturen werden einseitig gehalten und verkürzen oder werden unbeweglich. Das betrifft insbesonders:
- Unseren Hüftbeuger (M. Iliopsoas): Die Muskelgruppe rund um den Psoas Muskel (M. Iliacus und M. Iliopsoas) verkürzt, wodurch Schmerzen im Lendenwirbelbereich entstehen und Bandscheibenschäden begünstigt werden.
- Den Brustmuskel (M. Pectoralis major /minor, Bizeps): Die Schultern und der Rücken werden nach vorne geneigt und unsere Brustmuskeln und Faszienstrukturen verkürzen.
- Die Beinrückseiten (ischiocrurale Muskulatur): Die Rückseiten unserer Beine, vor allem unsere Hamstrings verkürzen, weil wir unsere Beine im Sitzen und bei vielen Sportarten immer angewinkelt halten.
Die nach vorne gebeugten Muskeln, Faszien und Gelenke verkürzen und muskuläre und strukturelle Dysbalancen im Körper entstehen.
Davon sind besonders die Gegenspielermuskeln und die umliegenden Faszien betroffen. Diese müssen als Reaktion auf die verkürzten Strukturen dagegen halten. Sie spannen an und verursachen Schmerzen.
Besonders unsere Lendenwirbelsäule ist durch eine Verkürzung des Hüftbeugers einem einseitigen Zug nach vorne ausgesetzt. Weil der Hüftbeuger direkt mit der unteren Wirbelsäule verbunden ist, sind oft ein Hohlkreuz und Bandscheibenschäden die Folge.
Fühlbar wird ein verkürzter Hüftbeuger besonders dann, wenn wir nach längerem Sitzen aufstehen. Viele Menschen brauchen erst mal ein paar Sekunden, bis sie wieder ganz gerade stehen können. Oft schmerzt dabei der untere Rücken. Das Bild der gebeugten Person entsteht, die sich instinktiv die Hand auf den unteren Rücken legt.
Genau nach dem selben Prinzip bekommen wir Schmerzen in anderen Bereichen: so eben auch im oberen Rücken und im Nacken, wenn unsere Schultern nach vorne gebeugt sind und unser Brustmuskel vorne verkürzt ist.
Wie diese Rückenübungen wirken
Wir können dem Problem entgegen wirken, indem wir regelmäßig ausgleichende Bewegungen ausführen. Bewegungen, die unserer gewohnten, nach vorne gebeugten Haltung entgegen wirken.
Wie das geht?
Eigentlich logisch: Wir bringen diese Strukturen wieder in Bewegung und in die Streckung. Dabei werden nicht einzelne Muskeln, sondern ganze Muskel- und Faszienketten angesprochen.
Wichtig dabei ist, die Übungen immer bewusst und langsam auszuführen. Und nie vergessen: Atmen. Push und überfordere dich nicht zu sehr. Spür einfach, was sich für dich hier richtig und gut anfühlt. Und höre bei allen Übungen auf deinen Körper. Ein angenehmes Ziehen oder ein “Wohlweh” ist erlaubt. Bitte bei akuten Rückenproblemen, Skoliose und akuten Bandscheibenvorfällen vorher mit dem Arzt oder Therapeuten abklären.
6 Übungen die langfristig gegen Rückenschmerzen durch langes Sitzen wirken
Die Übungen sind teilweise dem Konzept der Myoreflextherapie / Kraft in der Dehnung sowie aus dem Faszienfitness von Divo Müller, Dr. Robert Schleip und Johanna Bayer entnommen. Links dazu findest du unten in der Beschreibung.
#1 Backbend 1: Hüftbeuger und Vorderseite öffnen
Halte deinen Hals in Verlängerung der Wirbelsäule und bringe dein Kinn zur Brust.
Halte ein paar Sekunden und löse vorsichtig wieder auf.
Wiederhole drei mal.
#2. Hamstrings, Rumpfseiten und Rückseite dehnen: Cat Body Stretches
Neige dich mit geradem Rücken und ausgestreckten Armen aus der Hüfte heraus nach vorne.
Lege deine Hände auf der Fläche ab. Der Nacken bildet eine gerade Linie mit der Wirbelsäule.
Zieh dein Gesäß nach hinten und oben. Lass’ deinen Rücken gerade zwischen Becken und Händen aushängen.
Beuge das linke Knie nach vorne, während das rechte Bein gerade bleibt und der rechte Sitzbeinhöcker nach oben steigt. Spreize deine rechte Hand und strecke die Finger ganz lang nach vorne. Beweg’ dich wie eine Katze, die sich dehnt und das Hinterteil nach oben streckt ;).
Jetzt solltest du wahrscheinlich eine intensive Dehnung in der rechten Beinrückseite und an der rechten Oberkörperseite spüren.
Bewege deine Beine hin und her, so dass du die Dehnung in verschiedenen Winkeln erreichst.
Wiederhole auf der linken Seite.
#3. Fascial Stretch: Stretch der vorderen myofaszialen Leitbahnen
Beuge dich im Oberkörper dabei etwas nach hinten. Linkes Knie leicht gebeugt, so dass du nicht in’s Hohlkreuz fällst. Spüre erst mal kurz in die Dehnung, die auf der ganzen rechten Vorderseite entsteht. Wo liegt hier dein deine persönliche ‘Dehnungs-Grenze’?
Fange an, kleine wippende, elastisch-federnde Bewegungen mit dem ausgestreckten rechten Arm nach hinten durchzuführen: 1-2-3-4-5.
Das linke Bein bleibt vorne aufgestellt, den linken Arm nimmst du einfach vor deinen Oberkörper.
Wiederhole das ganze mit der anderen Seite.
Gehe hier gern auch in die Variation. Strecke dich mal mehr zur Seite oder nach oben aus. Mache die Bewegungen, die intuitiv entstehen wollen und sich für dich gut anfühlen.
Mache wenn du magst eine kurze Pause mit dem ‚Sleeping Child‘.
#4 Backbend 2: vordere Oberschenkel und Hüftbeuger dehnen
Bringe dein Becken in eine aufrechte Position, in dem du es leicht nach hinten kippst und deinen Bauch aktivierst. Versuche, nicht in’s Hohlkreuz zu gelangen.
Halte deine Hüfte in dieser Position, und lehne dich langsam und mit Gefühl im Oberkörper zurück.
Nimm dein Kinn Richtung Brust, so dass du deinen Hals in einer Linie mit der Wirbelsäule hast und nicht zu sehr verspannst.
Halte ein paar Sekunden. Atme.
Spüre in die Dehnung auf deiner Oberschenkel- und Hüftvorderseite.
Wenn du kannst, lehne dich ruhig noch ein wenig weiter zurück. Gehe aber nur soweit, wie es sich für dich gut anfühlt und du vorne eine angenehme Dehnung spürst.
Löse nach ein paar Sekunden wieder auf und komme wieder zurück in die Ausgangsposition.
Wiederhole drei mal.
#5. Das fliegende Schwert: Hamstrings und unteren Rücken beweglicher machen
Die Übung ‘das fliegende Schwert’ stärkt die Elastizität deiner faszialen Ketten sowohl der Körpervorder- als auch der Körperrückseite.
Nimm dir für diese Übung eine volle Wasserflasche oder eine kleine Hantel mit 1 kg Gewicht.
Stelle dich breitbeinig hin und und halte die Flasche mit beiden Händen gestreckt nach oben.
Schwinge die Flasche langsam mit beiden Händen ein Stück weit nach hinten hinter deinen Kopf. Achte darauf, dass du deinen Core aktivierst und dort stabil bist.
Wiederhole fünf mal.
#6. Brust und Schultern (M. Pectoralis Major, Bizeps) öffnen
Spüre die leichte Dehnung deines Bizeps. Wenn du kannst, lehne dich mit dem Oberkörper ein wenig weiter nach vorne, so dass du die Spannung erhöhst. Dann spanne deinen Oberarm für ein paar Sekunden an, indem du Druck auf die Wand gibst.
Lasse wieder los und nehme dabei wahr, wie die Dehnung jetzt gar nicht mehr so intensiv ist wie vorher. Wenn Spielraum da ist, gehe ein Stück weiter in die Dehnung und spanne deinen Oberarm wieder an.
Wiederhole zwei bis drei mal, bis du dein persönliches Maximum erreicht hast. Es sollte nicht weh tun, aber ein intensives, angenehmes Ziehen der Dehnung ist erlaubt. Wechsle zum anderen Arm.
Wie oft sollten die Übungen gemacht werden?
Die Übungen können immer mal wieder zwischendurch gemacht werden oder in deine Trainingsroutine integriert werden.
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Yoga Top und Matte wie auf den Bildern zu sehen:
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