15 Minuten Faszientraining – Übungen für zu Hause

Geschrieben von Marie Heintges

Apr 30, 2018

30. April 2018

In den letzten Jahren gab es einen riesigen Hype um Faszienfitness.

Normalerweise halte ich nicht so viel von Hypes. Besonders nicht, wenn sie lauten: “für immer jung durch Faszienfitness“,  „Cellulite adé durch Faszientraining” oder “In 5 Minuten schmerzfrei durch Faszientraining”. Warum wir uns trotzdem bzw. gerade in der heutigen Zeit mehr unseren Faszien zuwenden sollten?

Schieben wir die medialen Versprechen einmal beiseite, ist Faszienfitness viel mehr als nur das, und kann für viele Menschen wirkungsvoller als so manches Rückentraining sein. Die Faszienübungen wenden sich einem gigantischen bindegewebartigem Spannungsnetzwerk zu, das deinen ganzen Körper komplett durchzieht. Sie sind natürlich, intuitiv und abwechslungsreich – und trainieren Bereiche im Körper nicht isoliert, sondern im Ganzen.

In diesem 15 Minuten Workout lernst du die Grundprinzipien von Faszienfitness kennen, die du super zu Hause oder überall in deinen Alltag integrieren kannst.

Ich wünsche dir viel Spaß damit.

Wie unterscheidet sich Faszientraining von anderen Trainingsarten? 

Faszienfitness wirkt langfristig und übt sich über natürliche, intuitive, abwechslungsreiche Bewegungsabläufe positiv auf unseren Körper aus. Meiner Meinung nach wirkt Faszienfitness um ein vielfaches effektiver gegen Rückenschmerzen als so manche klassische Rückenschule oder das den meisten bekannte Rückentraining an Geräten. Was aber macht den Unterschied?

1. Wir denken und fühlen in myofaszialen Ketten 

2. Weniger Einheit und Eintönigkeit beim Training

3. Intuitivität, Abwechslungsreichtum, Kreativität und Winkelvariation sind gefragt

4. Das Training wird mit Achtsamkeit und Aufmerksamkeit durchgeführt

5. Abwechslung der Geschwindigkeit: Wir bewegen uns langsam und fließend, schnell und federnd.

Die Vorteile von Faszientraining

Embodiment: Die Körperwahrnehmung wird geschult. Wir fühlen uns wohler und mehr in unserem Körper zu Hause.

Verspannungen lösen: Verklebungen und Verhärtungen in den Faszien können wieder gelöst werden.

Beweglicher werden: Durch Faszientraining werden wir beweglicher, flexibler und koordinierter in unseren Bewegungen.

Bewegung im Ganzen: Faszientraining bewegt den Körper nicht isoliert, sondern im Ganzen. Ganz ähnlich wie beim Yoga. Wir denken und fühlen nicht nur in einzelne Körperbereiche, sondern  unser Körper wird als ein durch myofasziale Ketten miteinander verbundenes System gesehen. Durch Faszientraining werden unsere  Faszien wieder gesund und elastisch und unser Köper kann wieder zu mehr Balance finden.

Mehr zum Thema Faszien: Was sind Faszien und was haben verklebte Faszien mit Rückenschmerzen zu tun?

Die vier Bereiche des Faszientrainings

Für das Ganzkörper-Faszientraining reichen dir etwa 15 Minuten drei Mal in der Woche. Du kannst es ganz easy nach dem Aufstehen oder zwischendurch machen. Wichtig ist nur, dass du während dessen ganz bei dir und deinem Körper bist. Also keine Ablenkung durch Fernsehen und co. 😉

Faszienfitness gliedert sich in vier Hauptbereiche:

1. Myofasziales Release

2. Faszienstretch

3. Federn und Elastizität

4. Propriozeption

Übung 1: Faszientraining mit einer Faszienrolle – myofasziales Release (5 min)

Faszienrollen sind spezielle Rollen aus hartem Material, die verklebte Faszien lösen und Stoffwechselprozesse im Gewebe anstoßen sollen. In Videos sieht man meist nur das schnelle hin- und herrollen mit der Faszienrolle. Das ist auch gut, um die Muskeln und Faszien aufzuwärmen und zu kräftigen. Aber gerade durch das langsame Rollen bewirkst du, dass sich verklebte Faszien lösen können.

Als Faustformel kann man sagen, pro Atemzug nur wenige Milimeter zu rollen um den besten Effekt beim Lösen der Faszien zu erreichen.

Zudem regt das Rollen die Durchblutung und den Stoffwechsel im Gewebe an: Du kannst dir das Fasziengewebe dabei wie einen Schwamm vorstellen, aus dem Flüssigkeit und alte Stoffwechselprodukte gepresst werden, um Platz für neues zu machen. Achte beim Rollen immer darauf, auf deinen Körper zu hören. Es sollte kein „Autsch“-Schmerz sein, aber ein “Wohlweh” ist okay.

Auf den Bildern benutze ich die Standard Faszienrolle der Firma Blackroll®.

 

Übung mit der Faszienrolle – Beine

  • Lege das untere Ende deines Unterschenkels auf die Rolle und lass ihn ganz schwer werden.
  • Lass dein Gewebe richtig in die Rolle hineinsinken und finde einen guten Druck, der sich für dich angenehm anfühlt, aber ruhig intensiv sein darf.
  • Rolle langsam mit dem Bein Stück für Stück nach unten – so langsam wie möglich.

Bei regelmäßiger Anwendung kann man seine Faszien nachhaltig elastischer und geschmeidiger machen. Faszien brauchen etwa 6 Monate, um sich einmal rundum zu erneuern.

Das Ausrollen meiner Faszien mit einer Faszienrolle hat mir wirklich sehr bei meinen Verspannungen und Rückenschmerzen geholfen und ich kann es gar nicht genug empfehlen.

Übung 2: Faszienstretch für mehr Flexibilität (4 min)

Wusstest du, dass wir uns von Natur aus intuitiv stretchen und dehnen?  Im Bett morgens räkeln wir uns nach dem Aufwachen weil es so gut tut, wir gähnen um unsere Kiefermuskeln zu dehnen, und wir strecken uns erst mal richtig, wenn wir zu lange vor dem Computer saßen.

Aus dem Tierreich können wir uns auch super viele dieser Stretches abschauen: Ein Hund, der seine Vorderbeine nach vorne ausstreckt und sich ganz genüsslich reckt und dehnt, gibt uns das perfekte Beispiel dafür.

Ähnlich wie beim Yoga geht es beim Faszienstretch darum, seinen Körper in myofaszialen Leitbahnen zu dehnen und strecken. Es werden also weniger einzelne Strukturen isoliert gedehnt, als vielmehr der ganze Körper von Kopf bis Fuß langsam und mit voller Aufmerksamkeit in die Länge gebracht.

Los geht’s…

Übung ‚Katze‘ für die Rückseite (2 min)

  • Für diese Übung stellst du dich vor einen Tisch oder eine Stuhllehne.
  • Strecke deine Arme nach vorne aus und lege sie auf die Kante, so dass du in der Hüfte im rechten Winkel gebeugt bist.
  • Beuge deine Knie langsam und nacheinander nach vorne. Drücke dein Gesäß nach hinten und oben. Wie eine Katze, die sich dehnt und das Hinterteil nach oben streckt.
  • Bewege deine Beine hin und her, so dass du die Dehnung in verschiedenen Winkeln erreichst. Strecke dich mal mehr zur linken Seite, mal zur rechten Seite aus und spüre in die Dehnung hinein.
  • Wenn du die Dehnung intensivieren möchtest, hebe deine Zehen und strecke deine Fingerspitzen aus.

Übung ‚Fähnchen‘ für die Vorderseite (2 min)

  • Für diese Übung stellst du deinen rechten Fuß vor den linken. Der linke Arm ist nach oben ausgestreckt.
  • Neige dich hinüber zur rechten Seite. Strecke dich ganz genüsslich nach oben und zur rechten Seite und mach dich links ganz lang.
  • Spüre dabei die Dehnung in der linken Seite. Drehe dabei den linken Arm etwas auf und lehne dich auch ein Stück zurück.
  • Spüre auch mal, was in deiner linken Seite passiert, wenn du deine linke Fußaussenkante fest auf den Boden drückst.
  • Wiederhole auf der anderen Seite.

Für mehr Öffnung und Dehnung auf der Oberkörpervorderseite kann ich dir ein Yogawheel empfehlen, das ich super gerne und regelmäßig benutze.

Übung 3: Federn und Elastizität – Faszien kräftigen (4 min.)

Federnde Sprünge aus der Wade lockern die umgebenden Faszien und können super in den Alltag integriert werden. Die Achillessehne und die untere Wadenmuskulatur werden dabei trainiert und du beugst Rückenschmerzen vor, die auch aus einer Verkürzung der unteren Wadenmuskeln entstehehen können. Auch Fußfehlstellungen oder Fersensporn werden durch diese Übung vorgebeugt.

Übung Elastic Jumps für Füße und Beine (2 min)

  • Springe mit beiden Beinen barfuß auf gleicher Stelle oder mal links, mal rechts. Achte darauf, so leise und samtig wie möglich auf dem Boden aufzukommen.
  • Baue ruhig Kreativität in deine Sprünge ein: Springseil springen ist die ideale Übung für elastisch federnde Sprünge. Auch beim Gehen oder laufen im Alltag darfst du gerne abwechslungsreich werden:  Seitwärts laufen, Hampelmänner machen auch barfuß über Gras und Waldboden laufen. Faszien lieben Abwechslung.

Übung ‚Power Arms‘ an Wand  (2 min)

  • Stelle dich gerade und hüftbreit und mit etwa einem halben Meter Abstand vor eine Wand . Halte deine Arme gebeugt vor deinen Oberkörper und lasse dich mit den Händen gerade wie ein Brett gegen die Wand fallen. Lande dabei sanft und leise auf deinen Handinnenflächen und federe dich mit beiden Händen sofort wieder ab.
  • Mache circa 10 Wiederholungen, gerne auch mit Variation der Handposition an der Wand.

Übung 4: Propriozeption – Körperwahrnehmung verfeinern (2 min)

Propriozeption bedeutet bewusste und unbewusste Körperwahrnehmung: Uns selbst zu spüren und unsere Bewegungen in Raum und Lage gut einordnen zu können.

Bei der Propriozeption im Faszienfitness geht es dabei um sinnliche, in sich hineinspührende Bewegungen, um unsere Wahrnehmungsfähigkeit, Beweglichkeit und Reaktionsvermögen zu verbessern. Dabei führen wir teilweise kleineste Mikrobewegungen aus, bei denen wir die Bewegungen und Dehnungen im Körper mehr im Detail spüren können.

Übrigens ist unser Fasziengewebe durchzogen mit Sinnesrezeptoren und Nerven. Damit zählt es zu unseren größten Sinnesorganen – unserem 6. Sinn.

 

Übung ‚Cobra Spine‘

  • Stelle dich etwas weiter als hüftbreit hin. Gehe ein wenig in die Knie, so dass du dich mit den Händen auf den Oberschenkeln abstützen kannst. Deine Fußspitzen sollten aber noch vor den Knien zu sehen sein, wenn du von oben blickst.
  • Kippe dein Becken ein wenig nach vorne. Spüre, wie sich die Form deiner Wirbelsäule dadurch verändert und einen Bogen macht. Deine Brust öffnet sich leicht nach oben. Schaue dabei nach vorne.
  • Nun bewege dein Becken in die andere Richtung nach hinten. Lasse dabei auch deinen Rücken ganz rund werden.  So wiie eine Katze, die einen Buckel macht. Ziehe auch deinen Unterbauch Richtung Lendenwirbelsäule. Richte deinen Blick nach unten. Spüre, wie sich dein Rücken dadurch anfühlt. Spürst du irgendwo Spannungen? Atme in diese hinein und fühl wie diese langsam weniger werden.
  • Halte dein Becken wieder neutral. Deine Lendenwirbel bleiben ruhig. Während du ausatmest, mach‘ dich etwas rund in der Brustwirbelsäule und öffne wieder nach vorne auf, während du einatmest.
  • Wiederhole ein paar mal und lass‘ die Vor- und Rückbewegungen gleitend werden, wie eine Welle, die hin und zurück schwappt. Sei dabei achtsam und spüre in die Bewegungen hinein.
  • Werde etwas schneller und lasse deine Brustwirbelsäule sich schlangenförmige vor und zurück bewegen.
  • Werde langsamer und richte dich wieder auf.
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