Neurozeption: ´Warum nehmen wir Situationen als Gefahr oder als sicher wahr, die wir uns rein objektiv nicht erklären können? Warum wissen wir manchmal automatisch, ob etwas für uns richtig ist oder auch nicht, obwohl es keinen augenscheinlichen, rational erklärbaren Grund für uns gibt? Was hat es damit auf sich, dass wir in Schrecksituationen blitzschnell reagieren können, lange bevor wir kognitiv realisieren, was passiert ist? Das Prinzip der Neurozeption, das auf der Polyvagal Theorie von Dr. Steven Porges basiert, erklärt, wie Neurozeption funktioniert.
Neurozeption findet ausserhalb unserer bewussten Kontrolle statt
Automatische, unbewusste Reaktionen zur Sicherung bei Gefahr geschehen nicht einfach so. Neurozeption ist ein sich auf unbewusster Ebene abspielendes System zur Beurteilung von Sicherheit oder Gefahrensituationen. So wird instinktiv beurteilt, ob eine Situation potentiell bedrohlich oder sicher ist. Unser Nervensystem bringt automatische Reaktionen in Gang, bereit, blitzschnell auf die Bedrohung zu reagieren. Schnellere Atmung, erhöhter Herzschlag, vermehrte Ausschüttung von Schweiß, Anspannung der Muskulatur und Ausschüttung von Stresshormonen sind dabei.
Neurozeption ist ein sich auf unbewusster Ebene abspielendes System zur Einschätzung von Sicherheit oder Gefahrensituationen.
Den Begriff Neurozeption hat der amerikanische Wissenschaftler Dr. Stephen Porges erklärt und ist im Rahmen seiner Polyvagal Therorie bekannt geworden. Porges erklärt es so: “Warum macht ein Baby vertraute Geräusche, gurrt, brummt und quietscht, wenn eine bekannte Person da ist? Aber fängt an zu weinen, wenn sich ein Fremder nähert?“ Wie kann es das erkennen, trotz erst anfänglich ausgereifter Rückenmarks- und Gehirnstrukturen? Unser vegetatives Nervensystem arbeitet hier über Gehirnstrukturen, die sich außerhalb der Sphären des kognitiven Bewusstseins befinden. Und gleichzeitig Eigenschaften von Sicherheit oder Gefahr erkennen, bevor wir darüber nachdenken können.
Neurozeption ist sichtbar in allen Lebewesen, die ein Nervensystem besitzen und evolutionär gesehen vor der Entwicklung unserer kognitiven Fähigkeiten ausgereift.
Wo findet die Überprüfung auf Gefahr oder Sicherheit statt?
Deb Dana untergliedert drei Ebenen, über welche Signale von potentieller Gefahr für unseren Organismus aufgenommen und kontinuierlich durch unser Nervensystem überprüft werden.
1. Umwelt / Ausserhalb
Alles, was wir mit unseren Sinnen aus unserer Umwelt aufnehmen: Feuer, ein Unfall, Donner, und so weiter. Während wir mit Entspannung auf ruhige, langsame Töne reagieren, wirken laute, schnelle Geräusche zum Beispiel aktivierend auf unser sympathisches Nervensystem und wird eher als potentielle Gefahr bewertet. Bei für uns unsicheren, potentiell gefährlichen oder gar lebensbedrohlichen Situationen werden automatische Verteidigungsmechanismen aktiviert, die uns vor der bedrohlichen Situation schützen sollen. Allgemein bekannt als Flucht, Kampf oder Freeze / Immobilität.
2. Unser Selbst / Innerhalb
Ausserdem nimmt unser Nervensystem ständig Signale unserer Innenwelt, also Inputs die aus dem Körperinneren kommen, wahr und interpretiert sie: Informationen, die von Organen ausgehen, z.B. unserem Herzschlag. Unsere Körpertemperatur bis hin zu Fieber. Wie angespannt unsere Muskeln sind. Ob wir Schmerzen haben. Wie gut, langsam oder schnell wir Atmen. Sogar unsere Körperhaltung hat Einfluss auf die Bewertung wie wohl und sicher wir uns in uns fühlen. Über ein inneres Feedbacksystem gibt unser Körper Bescheid, ob alles okay ist.
3. Zwischenmenschlich / Der Zustand unserer Mitmenschen
Zwischenmenschliche Signale werden zwischen Nervensystem und Nervensystem ausgetauscht. Der Zustand unseres Gegenübers wird unbewusst wahrgenommen und auf Sicherheit überprüft. Als Antwort wird in uns eine Reaktion hervorgerufen. Wahrgenommen werden Gesichtsausdruck, die Stimme, die Körperhaltung unseres Gegenübers, und vieles mehr. Ein natürlich lächelndes Gesicht signalisiert Sicherheit. Ein wütendes Gesicht stufen wir hingegen unbewusst als unangenehm und potentiell auch gefährlich ein.
Wie reagiert unser Körper bei Gefahr?
Welche Reaktionen führt unser Körper nun aus, abhängig davon was für unser Überleben und langfristiges Wohlergehen am klügsten ist? Neben dem gewünschten Zustand von Sicherheit, haben die meisten von uns sicher schon mal von den bekannten Gefahrenreaktionen gehört die eintreten, wenn wir uns nicht mehr ganz sicher fühlen: Kampf oder Flucht. Aber darüber hinaus gibt es noch eine weitere Reaktion, bekannt als Immobilität oder Freeze.
1. Immobilität (Freeze) – Reaktion
Die evolutionsgeschichtlich älteste Form von Schutzmechanismen, die den meisten Wirbeltieren innewohnt. Die Freeze – Reaktion bringt signifikante Vorteile mit sich: Ein gutes Beispiel hier sind die Reptilien, die sich blitzschnell im Angesicht eines Angreifers tot stellen und ‚erstarren‘ können. Eine überlebenswichtige Funktion, wenn alle anderen keinen Auswege Sinn mehr ergeben. Bei Menschen gibt es diese Reaktion ebenfalls, zum Beispiel in Form eines verhaltensmäßigen Shutdowns oder ’nicht auffallen wollen‘.
2. Mobilisierung (Kampf / Flucht) – Reaktion
Das Gegenteil ist der Fall bei für uns unsicheren, potentiell gefährlichen Situationen: Dann werden automatische Verteidigungsmechanismen aktiviert, die uns vor der bedrohlichen Situation schützen sollen. Unser sympathisches Nervensystem springt ein und aktiviert Flucht- oder Kampfreaktionen. Ein System der Mobilisierung wird hochgefahren. Herzschlag, Muskelaktivität, Schweißproduktion werden hochgefahren, während Verdauung und Reparaturmechanismen hinten angestellt werden.
3. Soziales Engagement & Sicherheit
Werden Situationen, Menschen und unser innerer Zustand als sicher eingestuft, so wird soziales Engagement in uns aktiviert. Bei einem Gefühl von Sicherheit darf sich die Muskulatur entspannen, die Atmung ruhig sein, Stresshormone regulieren sich wieder. Im sozialen Miteinander werden über Gesichtsausdruck, Stimme, sichere Berührung und dem gegenseitigen Zuhören Bindungs- und Glückshormone wie Oxytocin und Serotonin ausgeschüttet. Es macht Sinn, dass positives soziales Verhalten nur aktiviert und oben beschriebene Gefahren- und Abwehrreaktionen heruntergefahren werden sollten, wenn alles als sicher eingestuft wird.
Soziales Engagement ist essentiell für unser Dasein und unsere physische wie psychische Gesundheit. Ein sanftes Lächeln, sanfter Augenkontakt, und angenehme Stimme signalisieren dem Gehirn, the brain structures that regulate the myelinated pathway of the Vagus Nerve.
Läuft der Austausch mit anderen Menschen gut und haben wir ein Gefühl der Verbundenheit, bewirken Nervenbahnen in unserem Körper, dass sich unser Herz beruhigt, die Verdauung reguliert und Angstreaktionen herunter fahren können.
Wenn Neurozeption gestört ist
Was passiert aber in dem Fall, wenn unser System der Neurozeption gestört ist und Gefahr wahrnimmt, obwohl um uns herum alles in Ordnung zu sein scheint?
Unverarbeitete traumatische Erlebnisse und hohe Stressbelastungen, bei der die Energie nicht entladen werden konnte, haben seine Folgen: Der Gefahren – Button bleibt non-stop gedrückt. Wir schrecken jedes Mal auf bei einem lauten Geräusch, sind Überwachsam, die Umwelt wird zur Gefahrenquelle, Menschen flößen uns Angst ein, der Gang zum Supermarkt kann einer Löwenhöhle gleichen.
Dann stimmt die Bewertung von Gefahr und Sicherheit einer Situation nicht mehr. Eine fehlerhafte physiologischen Reaktionen und dem
Für Menschen, die mit dieser Symptomatik zu tun haben, sind ein paar Dinge für die Wirksamkeit von Therapie zu beachten: Das Spüren eines ruhigen, ausgeglichenes Nervensystemen im Gegenüber (z.B. unserem Therapeuten) ist besonders hilfreich. Ruhiges Verhalten anderer kann eine ähnlichen Zustand in Menschen bewirken, die Probleme haben, runter zu kommen.
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