Du kennst das bestimmt: Alle Welt spricht vom Muskeltraining. Von Rückenfitness, Bauchmuskeltraining und Core Stability.
Starke Muskeln sehen fit und gesund aus, besonders am Rücken und am Bauch. Dann erscheint es doch nur logisch, dass untrainierte Muskeln am Rücken und im Rumpfbereich zu den Ursachen für Rückenschmerzen und Wirbelsäulenbeschwerden gehören müssen.
Zu wenig Training und eine schwache Muskulatur wird in Deutschland als eine der häufigsten Ursachen für Rückenschmerzen gesehen – neben Stress und zu viel Sitzen am Arbeitsplatz. Kein Wunder. Im Fitnessstudio, in der Werbung und auf Fitnessblogs, ja sogar beim Orthopäden hört man fast immer, dass Rückenschmerzen mit Muskeltraining und -kräftigung wieder in Ordnung gebracht werden sollen. Die Botschaft ist meist die gleiche: unsere Wirbelsäule kann nicht gehalten werden, wenn unsere Muskeln zu schwach sind. Daher sollen besonders Rücken- und Bauchmuskeln gekräftigt und die Wirbelsäule wieder stabilisiert werden.
Warum erfahren trotzdem so viele Menschen kaum Besserung ihrer Beschwerden? Warum quälen sich dann so viele durchtrainierte Sportler mit Rückenschmerzen? Funktioniert unser Körper in Bezug auf Rückenschmerzen in Wirklichkeit etwas anders als allgemein angenommen wird?
Woher das Bild von starken, gesunden und schmerzfreien Muskeln?
Der Fokus bei der Diagnose von Rückenschmerzen liegt bis heute stark auf bildgebenden Verfahren wie MRT und CT. Das Skellettsystem, insbesondere die Wirbelsäule, finden dadurch ganz besondere Beachtung. Muskulatur und Faszien hingegen sind auf diesen Bildern kaum bis gar nicht sichtbar.
Das hat meiner Meinung einen großen Einfluss auf unser Körperbild: Wir denken bei unserer Wirbelsäule vielmehr an eine Säule, die durch starke Muskeln getragen wird. Durch Bauch- und Rückentraining soll eine starke Rumpfmuskulatur entstehen, die unsere Wirbelsäule stabil und in Form hält. Rückenschmerzen oder Bandscheibenvorfälle sollen damit beseitigt werden.
Sieht es in Realität vielleicht anders aus?
Ich war selbst geprägt von diesem Bild. Ich war der festen Überzeugung, dass ich mit einer Sportroutine aus Kraft- Rücken- und Bauchmuskeltraining meine Verspannungen und Rückenschmerzen los werden kann.
Nach ein paar Monaten hatte ich mehr Schmerzen als je zuvor.
Wenn man sich umschaut fällt auf, dass selbst Profisportler und Bodybuilder nicht weniger häufig unter Rückenschmerzen zu leiden scheiden wie eben unsportliche Menschen mit schwächeren Muskeln. Warum leiden dann so viele Menschen an chronischen Schmerzen und Verspannungen, trotz eines regelmäßigen Trainings?
Warum Rückenschmerzen trotz Muskeltraining meist trotzdem bleiben…
Leute mit chronischen Rückenschmerzen haben zwar öfters das Gefühl, dass ihr Körper nicht stark genug ist um sich aufrecht zu halten. Sie fühlen sich schwach, weil sie in ihrer Bewegung eingeschränkt sind. Das liegt aber meist daran, dass sie unbeweglich, steif und verspannt sind. Ihre Muskeln sind hart und in einer Dauerkontraktion: Nach der Anspannung erfolgt keine Entspannung mehr.
In einem persönlichen Gespräch mit mir können wir gemeinsam die Ursachen deine Verspannungen oder Rückenschmerzen herausfinden und individuell auf dich zugeschnittene Lösungen erarbeiten.
Unelastische Faszien erschweren die Bewegung zusätzlich. Wenn du wissen willst, was Faszien genau sind und was sie mit Rückenschmerzen zu tun haben, dann schau mal in diesen Blogpost rein. Man weiß heute viel mehr über die Bedeutung von Faszien bei unspezifischen Rückenschmerzen. Das führt dazu, dass man Rückenschmerzen und myofasziale Schmerzen immer besser versteht und langsam bessere Lösungen gegen Rückenbeschwerden und chronische Verspannungen am Körper findet. So sprechen Faszien positiv auf elastisch – federnde Bewegungen an, sowie auf Dehnungen von sogenannten myofaszialen Ketten die den ganzen Körper integrieren. Faszien sind also anders zu trainieren als durch klassisches Muskel- und Krafttraining.
#1 Faszien werden beim Rücken- und Bauchmuskeltraining kaum trainiert
Beim Rückentraining fehlen ein paar entscheidende Komponenten: das Training ist oft einseitig ausgerichtet und Faszien reagieren darauf mit Verklebungen und Kollagenvernetzungen, sogenannten Cross Links (wie auf dem Bild unten zu sehen). Diese Cross Links – Verklebungen machen uns unbeweglicher und anfälliger für Verletzungen. Das ist besonders dann der Fall, wenn das Training nicht durch effektive Dehnübungen oder ganzheitliches Training der Faszien ergänzt wird.
Rückenschmerzen haben ihren Ursprung oft gar nicht im Rücken, sondern an ganz anderen Stellen des Körpers. Der fasziale Spannungszug kann vom Nackenbereich ausgehen, vom Becken, vom Bein oder sogar vom Kiefer. Deshalb reicht es meist nicht aus, nur einzelne Bereiche wie den Rücken oder Bauch zu trainieren. Der ganze Körper sollte in die Bewegung und das Training mit einbezogen werden. Die körperlichen Ursachen von Bandscheibenproblemen und Rückenschmerzen sind vielfältig und liegen meist nicht an der Stelle wo es weh tut. Sie entstehen mehr aus einem Ungleichgewicht durch myofasziale Dysbalancen, verklebten Faszien und muskulären Triggerpunkte. Diese können weit vom Schmerz entfernt liegen.
#2 Myofasziale Dysbalancen können beim Muskeltraining entstehen
Warum das klassische Training oft nicht die gewünschte Wirkung hat oder sich sogar negativ auf uns auswirkt, liegt daran, dass wir oft einseitig und falsch trainieren. Unser Körper kann dadurch buchstäblich aus dem Lot geraten. Myofasziale Dysbalancen entstehen, ein Ungleichgewicht der Muskeln und Faszien. Einseitig trainierte Muskeln können wiederum einen starken Zug auf die umliegenden Strukturen ausüben. Zum Beispiel auf unsere Wirbelsäule und Gelenke. Körperfehlhaltungen, Bandscheibenschäden und Verspannungen sind die Folge. Wie das passiert, will ich dir am Beispiel des Hüftbeugers zeigen.
Im Visier als Auslöser für Rückenschmerzen im unteren Rücken: Der Hüftbeuger (M. Iliopsoas)
Besonders Muskeln, die durch unsere Haltungsgewohnheiten sowieso schon verkürzt sind und zusätzlich übermäßig trainiert werden, können zu Problemen führen.
Der Hüftbeuger verläuft vom Oberschenkel vorne oben schrägt durch den Bauch zur inneren Lendenwirblsäule bzw. zur Beckenschaufel innen. Als Verantwortlicher für Beschwerden im unteren Rücken rückt er immer häufiger ins Rampenlicht.
Der Psoas-Muskel soll, dauerhaft “verkürzt”,- einer der Hauptverursacher für Lendenwirbelsäulenprobleme, das „LWS Syndrom“ und Bandscheibenschäden sein.
Bei einem einseitigen Bauchtraining durch Crunches und Sit-Ups werden die Probleme im unteren Rücken oft noch verstärkt. Der Hüftbeuger und vordere Strukturen an Bauch und Brust als Teil der vorderen myofaszialen Kette verkürzen und ziehen uns regelrecht weiter nach vorne. Die hintere myofasziale Kette muss diesem Zug stetig entgegenwirken, um das Ungleichgewicht auszuhalten.
Das verursacht oft die Schmerzen im unteren Rücken. Der Zug dieser Muskeln auf die unteren Wirbel wird größer und Schäden an der Wirbelsäule kann entstehen.
Ein nach vorne gebeugter Mensch ist nicht hinten zu schwach, sondern vorne zu kurz. Und dagegen hilft weder ein Bauchmuskeltraining, noch das Trainieren und Anspannen der Rückenmuskeln. Das würde die Probleme in den meisten Fällen noch verstärken!
Bringt man den Hüftbeuger hingegen wieder in die richtige Länge und Funktion zurück, kann sich eine natürliche Haltung im Oberkörper mit ausgeglichenen Zugverhältnissen auf die Lendenwirbelsäule einstellen. In meiner Ressourcenliste findest du jede Menge Tipps und Empfehlungen falls du Rückenschmerzen hast.
Lösung: Aktive Dehnung der Muskeln und Faszien und den ganzen Körper in das Training integrieren
Die Ursachen von chronischen Rückenschmerzen sind also in den allermeisten Fällen nicht in einer zu schwachen Rücken- oder Bauchmuskulatur zu finden. Menschen mit unerklärlichen Rückenproblemen haben oft unbewusst chronisch angespannte Muskeln und verklebte, ungesunde Faszien. So führen vor allem Dauerkontraktionen durch einseitiges Training, Stress, falsche Haltung und Bewegung zu Schmerzen und Verspannungen.
Welche Alternativen zu Muskeltraining gibt es bei Rückenschmerzen?
Natürlich bringen Kraft- und Ausdauertraining auch Vorteile mit sich. Jeder kann für sich entscheiden, was ihm persönlich gut tut: Muskeltraining an sich ist nichts Schlechtes, aber Balance ist hier wie in jeden anderen Lebensbereichen der Schlüssel zum Erfolg. Die folgenden Übungen können eine gute Alternative oder Ergänzung zu deinem Training darstellen:
1. Aktive Dehnübungen für einen gesunden Rücken
Strukturelle Längenveränderungen und Einschränkungen in der Beweglichkeit der Muskeln durch verklebte Faszien bezeichnet man allgemein als Verkürzung der Muskeln. Wir können diesen Verkürzungen durch abwechslungsreiche, natürliche Bewegung und aktive Stretches in die Länge entgegenwirken.
Training, das den ganzen Körper mit einbezieht und gleichzeitig für Entspannung sorgt, eignen sich bei Rückenschmerzen und Versapannungen fantastisch. Ein gutes Beispiel hierfür ist Yoga.
Um ein Ungleichgewicht aus einseitigem Training wieder auszugleichen, helfen aktive Dehnübungen. Diese Übungen unterscheiden sich vom passiven Dehnen dadurch, dass aktiv Kraft in den Muskel während der Dehnung gebracht wird. So wird ein Überreiz an Dein Gehirn gesendet, und der Impuls an den kontrahierten Muskel gegeben, loszulassen.
Die bekanntesten Behandlungs- und Trainingskonzepte, die nach dem Prinzip der aktiven Dehnung arbeiten, sind:
- Die Methode nach Liebscher und Bracht
- die Myoreflextherapie mit den Kraft in der Dehnung (KiD) Übungen
- das Five Konzept mit inzwischen mehreren Filialen deutschlandweit
- Die Behandlungsansätze der Biokinematik von Dr. Walther Packi
2. Faszienfitness gegen Rückenschmerzen
Selbst wenn du dein Training nicht aufgeben willst, kannst du es sehr gut durch Faszienfitness ergänzen. Deine Faszien werden dabei regeneriert und durch gesundes, neues Gewebe ersetzt und werden dadurch elastischer und weniger anfällig für Stress, Belastungen und Schmerzen.
Ein Yogawheel hilft super nach einem langen Tag am Schreibtisch. Ich benutze gerne das Yoga Wheel von YoWhee, womit du dich im Oberkörper vorne super öffnen kannst.
Als Vor- und -nachbereitung deines Trainings für zu Hause empfehle ich dir eine Faszienrolle. Die Rolle der Firma Blackroll nutze ich persönlich sehr gerne.
Hier noch einmal das Wichtigste in Kürze:
1. Einseitiges und falsches Training verursacht myofasziale Dysbalancen und damit Verspannungen und Bandscheibenschäden.
2. In den allermeisten Fällen ist nicht eine zu schwache Muskulatur der Grund für Rückenschmerzen, sondern myofasziale Dysbalancen, eine zu hohe Grundspannung der Muskeln und verklebte Faszien.
3. Ein starker Muskel ist nicht gleich ein schmerzfreier Muskel. Ein entspannter, ausbalancierter Körper ist schmerzfrei.
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Oh wow! Das wusste ich noch garnicht, großes Dankeschön für diesen tollen Artikel!
Vielen Dank für deinen Kommentar. Ich hoffe, dir hat der Artikel weitergeholfen. Liebe Grüße
Mir gefällt dein Blog wirklich richtig gut! Ich hoffe es kommen noch viele neue informative Beiträge! 🙂
Hallo, ich bin ein Fitness-Trainer und die Leute haben normalerweise Probleme mit Gelenken und Muskeln. Ich versuche mit ihnen Übungen zu machen, die helfen können, diese Gelenk- und Muskelschmerzen zu lindern, und das hilft normalerweise. Vielen Dank für Ihre Empfehlungen, sie sind wirklich hilfreich.
Hallo, danke für Ihren Erfahrungsbericht. Es freut mich dass die Empfehlungen Ihnen und Ihren Kunden weiterhelfen können.
Wie viel der Autor darüber weiß! Das ist genau das, was ich zu Rückenschmerzen wissen wollte. Ich danke Ihnen vielmals.
Liebe Finja,
Ich freue mich, dass Dir meine Seite gefällt, und dir der Inhalt bei deinen Fragen zum Thema Rückenschmerzen bereits weiterhelfen konnte.
Ganz liebe Grüße, Marie
Ich gehe oft ins Fitnessstudio und habe danach Rückenschmerzen. Mir war nicht klar, dass auch Stress und vieles Sitzen der Grund dafür sein kann. Ich werde eine Heilmassage aufsuchen, die mich ein bisschen entspannen kann.